Eine kurze Sammlungsgeschichte
Die Kunstsammlungen im Landesmuseum Hannover verdanken sich ganz wesentlich der Initiative engagierter Vereine und dem letzten Hannoverschen König Georg V. (1819–1878). Seit den 1840er Jahren hatten sich der historische Verein, der Hannoversche Künstlerverein, der Kunstverein Hannover sowie der Verein für die öffentliche Kunstsammlung um die Bergung gefährdeter Werke aus Kirchen und Klöstern, die Förderung der damals aktuellen Kunst und den Erwerb privater Sammlungen und Nachlässe bemüht. In dem auf ihre Initiative errichteten, 1856 eröffneten Museum für Kunst und Wissenschaft in der Sophienstraße wurden diese Sammlungen erstmals unter einem Dach zusammengeführt und rasant weiter ausgebaut.
König Georg V., Schirmherr des als Aktiengesellschaft betriebenen Hauses, hatte mit der von einem landesweiten Aufruf begleiteten Gründung des Königlichen Welfen-Museums im Jahr 1861 seinerseits eine herausragende Sammlung vorwiegend mittelalterlicher Werke aller Gattungen zusammengetragen. Darüber hinaus war es ihm gelungen, die Gemälde- und Skulpturensammlung des Hannoverschen Industriellen Bernhard Hausmann (1784–1873), die unter anderem Stücke aus der umfangreichen Kollektion des Reichsgrafen Ludwig von Wallmoden-Gimborn (1769–1862) umfasste, in seinen Besitz zu bringen. Rund 300 Arbeiten italienischer, holländischer, altdeutscher und französischer Malerei gelangten damals an das Königshaus.
Nach der Annexion des Königreichs Hannover durch Preußen 1866 rückten die Vereinssammlungen und die in Hannover verbliebenen königlichen Bestände nur schrittweise zusammen: Seit 1886 übernahm die Provinz die Verwaltung des Museums in der Sophienstraße, das Provinzialmuseum als Vorläufer des heutigen Niedersächsischen Landesmuseums Hannover wurde gegründet. Zeitgleich fanden die Älteren und Neuen Meister aus den königlichen Schlössern mitsamt der Sammlung Hausmann Aufstellung in der dem Museum angegliederten, sog. Cumberland-Galerie. Dieser als Fideikommissgalerie des Gesamthauses Braunschweig-Lüneburg bekannt gewordene Bestand gehörte demnach zusammen mit den nach 1886 in Hannover verbliebenen Werken des Welfen-Museums und den Vereinssammlungen zu den Gründungsbeständen des repräsentativen, 1902 eröffneten Museumbaus von Architekt Hubert Stier (1838–1907).
Auch in den Räumen des neuen Hauses am Maschpark verhinderten die komplexen Eigentumsverhältnisse und die Fülle unterschiedlicher Objekte – vom Gipsabguss über kirchliches Gerät bis hin zu Waffen und Fahnen – lange das Entstehen einer alle Epochen und Bestände umfassenden Gemälde- und Skulpturengalerie. Im Anschluss an eine von Karl Hermann Jacob-Friesen (seit 1917 Abteilungsdirektor, 1924–1953 Direktor) verfasste Denkschrift über die Neugestaltung der Museen in der Stadt Hannover (1919) wurde die entschiedene Umstrukturierung der im Hause und in der Stadt vorhandenen Bestände in Angriff genommen, andere Abteilungen hatten dafür Platz zu machen. Für die neue Galerie wurde die Übernahme der im Wesentlichen durch den Stadtbaumeister Heinrich Tramm (1854–1932) zusammengestellten Städtischen Galerie mit Werken von Anselm Feuerbach, Wilhelm Leibl, aber auch Paula Modersohn-Becker und anderen vereinbart. Im Gegenzug sollte das städtische Kestner-Museum, heute Museum August Kestner, die kunstgewerblichen Bestände der Provinz übernehmen. Die eigentliche Umgestaltung erfolgte unter der Ägide des Kunsthistorikers Alexander Dorner (seit 1919 am Haus, seit 1923 Leiter der Kunstabteilung). Durch die Übernahme wichtiger Arbeiten aus der Galerie Garvens, die enge Zusammenarbeit mit der 1916 gegründeten Kestner-Gesellschaft und entschiedene, mitunter auch rücksichtslose Erwerbungen gelang ihm der Anschluss an die zeitgenössische Avantgarde. Im zweiten Geschoss des Museums richtete er zu Beginn der 1920er Jahre einen international viel beachteten, nach chronologischen und qualitativen Gesichtspunkten geordneten Rundgang ein, der vom Mittelalter bis zur aktuellen Kunst reichte und in El Lissitzkys Abstraktem Kabinett gipfelte.
Die neue Galerie war gerade eröffnet, als der Leihvertrag mit dem »Altbestand« aus der Cumberland-Galerie aufgelöst wurde. Von den fast 800 Werken aus dem Fideikomiss des Hauses Braunschweig-Lüneburg konnten schließlich 179 Werke durch die Provinz Hannover für das Museum erworben werden. Aus der Gruppe der zurückgegebenen gelangten viele auf den Kunstmarkt, für Aufsehen sorgte insbesondere der Verkauf des Porträts König Edwards VI. als Kind von Hans Holbein d. J. (1497/98–1543), dem zentralen Gemälde in Dorners Holbein-Saal von 1924.
Dorners Engagement für die Moderne wurde durch Beschlagnahmen (sog. »Entartete Kunst«) während des nationalsozialistischen Regimes zunichte gemacht. 1937 wurde er von seinem Amt enthoben und wanderte in die USA aus. Sein Nachfolger Ferdinand Stuttmann (seit 1922 am Haus) war in den NS-Kunstraub verstrickt und u. a. Sachverständiger für die Schätzung jüdischen Eigentums, das vom NS-Regime verfolgten Personen in Hannover entzogen wurde. Nach seiner Entnazifizierung koordinierte er die bauliche Wiederherstellung des Gebäudes sowie die Rückholung und Sichtung der in verschiedenen Auslagerungsorten evakuierten Bestände. Auch für Stuttmann stand nach dem Zweiten Weltkrieg die Moderne im Vordergrund, dabei legte er allerdings abermals wenig Augenmerk auf die Herkunft der Werke.
Für die weitere Entwicklung der Galerie war die 1954 erfolgte Einbindung der Alten Meister des damaligen Kestner-Museums mit Werken aus der Sammlung des hannoverschen Buchdruckers Friedrich Culemann (1770–1845) und den italienischen Gemälden sowie den Deutsch-Italienern aus der Sammlung des hannoverschen Gesandten am Vatikan, August Kestner (1777–1853) von langfristiger Bedeutung. Zuletzt folgten auch die Grafiken des städtischen Kupferstichkabinetts. Umgekehrt wurden historische Sammlungen und Kunsthandwerk an das Museum August Kestner und das Historische Museum Hannover abgegeben.
Mit der Gründung des benachbarten Sprengel Museums 1969 war für die Galerie im Landesmuseum Hannover dann eine letzte, bis heute gültige Profilschärfung verbunden. Seitdem erforscht und vermittelt der Fachbereich Landesgalerie Hannovers Sammlung von Gemälden und Skulpturen sowie die grafischen Werke vom 12. bis ins frühe 20. Jahrhundert. Die herausragenden Stärken der Sammlung liegen im Mittelalter, bei der älteren italienischen und holländischen sowie der deutschen, französischen und dänischen Malerei des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Diese Schwerpunkte wurden durch eine Folge bedeutsamer Erwerbungen seit den 1980er Jahren gezielt ausgebaut. Unterstützt wird der Fachbereich durch den Verein Freunde der Landesgalerie Hannover e.V., der sich bis heute bei Ankäufen beteiligt und die Ausstellungen und Vermittlungsprogramme des Fachbereichs finanziell unterstützt.