Eine kurze Sammlungsgeschichte
Knapp 300 Jahre umfasst die Sammlungsgeschichte des Münzkabinetts, das an der Königlichen Bibliothek zu Hannover eröffnet wurde und fast ein Jahrhundert lang in den Verantwortungsbereich der Bibliotheksdirektoren fiel. König Georg III. hatte es gegründet und großzügig gefördert, um Münzen und Medaillen der Welfischen Landesherren zu sammeln. Durch den Siebenjährigen Krieg stagnierte die Entwicklung des Kabinetts (1756-1763) unter Georg III. Dies hinderte den Betreuer L. Albrecht Gebhardi (1799-1802) nicht daran, erstmals die englischen Münzen in das Sammlungskonzept einzubeziehen. Die Phase der Stagnation setzte sich bis 1821 fort, da das Münzkabinett aufgrund der politischen Lage zwischen 1803 und 1816 in London im Tresor der englischen Bank gelagert werden musste. Unter dem Betreuer B. G. Heinrich Pertz wuchs die Sammlung. Auf ihn geht unter anderem das Belegexemplarrecht zurück, durch das Gepräge aus den laufenden Produktionen von Hannover und Clausthal in die Sammlung gelangten. Mit dem Amtsantritt des renommierten Numismatikers Hermann Grote 1842 wurde das Münzkabinett von der Bibliothek getrennt und zu einem eigenständigen Institut erhoben. Während seiner Amtszeit wurde das 100-jährige Jubiläum des Münzkabinetts gefeiert. Bei seiner Entlassung war der Bestand von 4.759 Objekten auf 12.000 gestiegen. Unter König Georg V. wurde das Münzkabinetts in das Welfenmuseum integriert und konnte ab 1862 erstmals auch von Besuchern bewundert werden. Die erfolgreiche Erwerbspolitik des damaligen Betreuers C. Ludwig Grotefend (1853-1866) führte dazu, dass das Münzkabinett zu dieser Zeit mit 20.800 Objekten bereits nahezu die Hälfte des heutigen Bestands umfasste.
Mit der Besetzung des Königreichs Hannover durch Preußen 1866 wurde auch König Georg V. abgesetzt, woraufhin er 1867 das Münzkabinett mit ins österreichische Exil nahm. Unter Eduard Fiala (1898-1921) erlebte es dort seine nächste Blütezeit: Er erwarb 13.000 neue Münzen und publizierte einen neunbändigen Katalog. Unter Fiala nahm das Kabinett einen universalen Charakter an, da er unter anderem Wikingermünzen und skandinavische Fundmünzen kaufte. Doch in Folge der finanziellen Krise durch den Zweiten Weltkrieg verkaufte der Betreuer C. Heinrich Buck 1926 Dubletten und die Teile der Sammlung, die nicht zum herzoglichen Sammlungskonzept passten. Trotz der Umstände trug er bis zum Ende seiner Amtszeit 1939 zum Anwachsen des Bestandes auf 37.000 Münzen und Medaillen bei. Als die Welfenfamilie wieder nach Deutschland zog, wurde das Münzkabinett ab 1934 auf Schloss Blankenburg und 1945 auf der Marienburg bei Nordstemmen untergebracht. 1983 erwarb die Deutsche Bank die Sammlung und richtete das Niedersächsische Münzkabinett ein, dessen Betreuer Dr. Rainer Cunz es auch nach dem Rückerwerb durch das Land 2009 im Landesmuseum Hannover weiterhin betreute. Noch heute handelt es sich um die weltweit größte und bedeutendste Sammlung niedersächsischer Münzen und Medaillen.
Sammlungsschwerpunkte
In den knapp 300 Jahren wurden Münzen und Medaillen gesammelt, die Bezug auf die Familiengeschichte der verschiedenen Welfenlinien und auf das Territorium des ehemals welfischen Landes nehmen. Die Kernbereiche der Sammlung sind an erster Stelle das heutige Bundesland Niedersachsen als Zentrum der welfischen Herrschaft und an zweiter Stelle England aufgrund der Personalunion zwischen dem Kurfürstentum und Königreich Hannover und dem Königreich Großbritannien. Zeitlich erstreckt sich die Sammlung in Deutschland vom 10./11. Jahrhundert mit ottonischen Prägungen bis zum 20. Jahrhundert mit den sogenannten Reichsmünzen. Die Münzen aus dem britischen Kontext datieren ab der Personalunion 1714 bis zum Tod der Königin Victoria 1901. Die Personalunion endete bereits mit ihrer Thronbesteigung 1837.
Denare, Hohlpfennige und Brakteaten des Mittelalters
Chronologisch beginnt die Sammlung des Landesmuseums Hannover mit einem bedeutenden, ca. 4.500 Münzen umfassenden Bestand an Denaren aus dem 10. und 11. Jahrhundert, der ottonisch-salischen Zeit. Darunter befinden sich Otto-Adelheid Pfennige und Sachsenpfennige. Unter den Brakteaten befinden sich auch städtische Brakteaten und Fundmünzen-Brakteaten. Sie beginnen im Hochmittelalter mit Heinrich dem Löwen und reichen bis zu den spätmittelalterlichen Hohlpfennigen deutscher Kaiser und Könige. Darunter befinden sich auch die sog. Löwenbrakteaten. Ein bedeutender Anteil der Brakteaten stammt aus der Molanus/Böhmer Sammlung.
Prägungen der verschiedenen Welfen-Linien
Den Schwerpunkt der Sammlung des Münzkabinetts bilden die Prägungen der Könige, Herzöge und Fürsten der verschiedenen Welfen-Linien. An die Brakteaten des Alten Hauses Braunschweig und Lüneburg schließen zeitlich die Prägungen der Linie Wolfenbüttel des Mittleren Hauses Lüneburg und Braunschweig ab dem 16. Jahrhundert an. Sie zeigen nun unterschiedliche Nominale (verschiedene Talerstückelungen, Juliuslöser, Rebellentaler, Lügentaler, Eintrachtstaler usw.). Vom Neuen Haus Braunschweig der Linie Wolfenbüttel sind neben verschiedenen Dukaten, Taler- und Groschenprägungen (Löser, Glockentaler, Wildemanntaler, Ausbeutetaler, Mariengroschen etc.) auch zahlreiche Gnadenpfennige, Medaillen und Sterbemünzen der Herzöge vorhanden. Insgesamt umfasst die Sammlung etwa zweihundert Löser. Gleichermaßen umfangreich sind die Prägungen der Linie Lüneburg/Hannover des Neuen Hauses Lüneburg mit unterschiedlichen Münznominalen (Gute Pfennige, Löser etc.) sowie den Sterbemünzen und Medaillen. Von den britischen Königen (Georg I. bis Wilhelm IV.) dieser Linie sind Münzen und Medaillen aus der alten und neuen Heimat mit den entsprechenden lokalen Währungen in der Sammlung repräsentativ vertreten. Neben diesen Hauptlinien gibt es auch Münzen und Medaillen der Este – der italienischen Welfen-Linie (13.-18. Jh.) sowie russische Prägungen aufgrund der familiären Verbindung nach Russland durch Anton Ulrich d. Jüngere (1714-1770).
Von Welfen beherrschte Gebiete
Ein weiterer Schwerpunkt des Münzkabinetts im Kontext der Welfen sind die Münzen von norddeutschen Grafschaften wie Ostfriesland, Bistümern wie Osnabrück, Stiften wie Königslutter und Abteien wie Northeim, die in das Königreich Hannover eingegliedert waren oder untergeordnet waren. Je nach Ort variiert der Prägezeitraum vom 12. bis zum 18. Jahrhundert.
Harzer Gepräge
Der Harz war für die Metallgewinnung und Münzprägung in Norddeutschland von unermesslicher Bedeutung. In der Sammlung befinden sich Silberbarren des 14. Jahrhunderts, deren Metall aus dem Erzgebirge stammt. Dabei handelt es sich um eine besondere, für den Groß- und Fernhandel genutzte niedersächsische Geldart. Außerdem sind etwa 550 Rechenpfennige aus unterschiedlichen Harzer Münzstätten (17.-18. Jh.), mehrere hundert Münzen aus Stolberg sowie zahlreiche Wildemanntaler, Harzer Ausbeutetaler sowie Ausbeutelöser des 17. Jahrhunderts von den verschiedenen Linien der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und Medaillen aus Harzer Münzstätten mit entsprechenden Bildmotiven vom Harz vorhanden.
Niedersächsische Städteprägungen vom 12. bis 18. Jahrhundert und Medaillen
In der Sammlung befinden sich auch städtische Prägungen aus Einbeck, Emden, Goslar, Göttingen, Hameln, Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Northeim, Osnabrück und Stade. Die städtischen Münzen zeigen eine große Variationsbreite. Die Nominale reichen von Brakteaten und Hohlpfennigen des Spätmittelalters – den Mariengroschen, Groschen, Pfennigen, Kippergroschen bis hin zu Talern und Dukaten in verschiedenen Stückelungen vom 12. bis zum 18. Jahrhundert. Aus diesen und weiteren Städten Niedersachsens befinden sich außerdem Medaillen in der Sammlung.
Münzen aus den Britischen Kolonien
Das Münzkabinett hat eine umfangreiche Sammlung von Münzen aus dem kolonialen Kontext des Britischen Weltreichs des 18. und 19. Jahrhunderts, die sich konkret von der Herrschaftszeit Georg I. bis Victoria erstreckt. Nordeuropa ist vertreten durch Münzen aus dem Kronbesitz Guernsey, Jersey und der Isle of Man. Prägungen von Kolonien stammen aus Südeuropa, Asien (Südostasien und Indien), West-, Ost- und Südafrika, Nordamerika, Kanada, Australien und aus dem Karibischem Meer. Der Schwerpunkt liegt auf den indischen und australischen Münzen, während von Malta auch die Münzen des Johanniterordens ab dem 16. Jahrhundert gesammelt wurden.
Tokens
Von den etwa 1.600 Tokens der Sammlung stammt der Großteil aus den Städten Großbritanniens, nur etwa 480 Tokens liegen aus den Städten Irlands, Schottlands sowie aus den Kolonien vor.
Weitere Teilbereiche der Sammlung
Die Sammlung enthält eine Vielzahl von Personalmedaillen und Gedenkmünzen. Durch die Schenkung von Gerd-Henrich Stork 2014 besitzt das Münzkabinett eine einmalige und umfangreiche Kollektion von Münzen, Medaillen und Plaketten, die geowissenschaftliche Ereignisse, Phänomene sowie Personen und Objekte darstellen. Zur Sammlung gehört zudem eine kleine Anzahl außereuropäischer Zahlungsmittel, darunter Manillen und Muschelgeld. Hinzukommen galvanoplastische Nachbildungen der eigenen Bestände. Kopiert wurden vor allem Hohlmünzen sowie Mariengroschen.